Drei Fotos, auf dem linken eine Arbeitskabine, in der Mitte eine Torbogen des Flures und auf dem rechten der Blick in ein Büro des neuen "Alten Hauses"" Drei Fotos, auf dem linken eine Arbeitskabine, in der Mitte eine Torbogen des Flures und auf dem rechten der Blick in ein Büro des neuen "Alten Hauses""
Fotos: Luisa Sole / Lulugraphie
01.02.2024
Stadtleben

Büro. Gemeinschaft. Netzwerk.

Ein ALTES HAUS. neu gedacht

Redaktion: Marc Thiele

Ein Social-Co-Working-Space im Gründerzeitviertel

Mehrere Jahre war ein Gründerzeithaus auf der mittleren Regentenstraße Baustelle. Über die Zeit deutlich heruntergekommen, hatte scheinbar jemand hier investiert und damit begonnen, die Immobilie von Grund auf zu sanieren. Niemand im Gründerzeitviertel wusste, wer dahinter steckte und so kochte die Gerüchteküche hoch. Irgendwann waren Bauzäune und Handwerker verschwunden und von außen präsentierte sich das Haus in einem mehr als ansehnlichen neuen Gewand, dass an seine lang vergangenen Glanzzeiten erinnerte.

Coworking bezeichnet eine Form der gemeinschaftlichen Erledigung von Büroarbeit. Freiberufler, kleinere Start-ups oder Studierende bspw. arbeiten dabei in meist größeren, verhältnismäßig offenen Räumen, den Co-Working-Spaces, nutzen gemeinsam dessen Ressourcen und Infrastruktur und können auf diese Weise voneinander profitieren.

 

Quelle: u.a. Wikipedia

„ALTES HAUS.“ Büro. Gemeinschaft. Netzwerk sagt ein grünes Firmenschild an der frisch renovierten Fassade und alle, die es im Viertel interessierte, dachten: „OK, noch eine Co-Working-Location. Die sind gerade angesagt“. Im Kopf wurde das „Alte Haus“ in einer Schublade abgelegt und vergessen, auch von uns, die wir direkt um die Ecke unsere Redaktionsbüros haben. Neugierig war niemand von uns, dazu gab es mittlerweile zu viele Co-Working-Spaces in unserer Stadt. Das hätte keinen Nachrichtenwert.

Oh, wie kann man sich täuschen.

Das Handy machte den WhatsApp-üblichen Ton für einen Nachrichteneingang. Sandra Jalana Oehmen? Lange nichts mehr von ihr gehört. Was sie wohl möchte? Eine Einladung zur Eröffnung eines neuen Co-Working-Spaces auf der Regentenstraße „ALTES HAUS.“ und Kai Viehof hat es initiiert? Alle meine redaktionellen Wecker klingelten auf einmal. Wenn Sandra Jalana Oehmen sich irgendwo engagiert, dann muss das was Besonderes sein. Ich hatte vor ein paar Jahren erstmals redaktionellen Kontakt zu ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit als Coachin und sie hinterließ einen bleibenden sehr positiven Eindruck. Dass es um Co-Working ging, war erst einmal nicht so spannend, aber dann war da Kai Viehof. Ein Nachname, der in Mönchengladbach immer aufhorchen lässt. Auch wenn ich Kai Viehof tatsächlich erst einmal zur korrekten Einordnung googeln musste, bestätigte sich seine Zugehörigkeit zur wohl prominentesten Unternehmerfamilie der Stadt.

„Klar, gerne komme ich zur Eröffnung, aber können wir uns nicht vorher mal zu einem Redaktionsgespräch treffen und Ihr erzählt mir was über das Projekt“, antwortete ich...

... und war nicht darauf vorbereitet, was mich dann im „ALTEN HAUS.“ erwartete...

Die Türe des frisch sanierten Gründerzeithauses öffnete sich und gab den Blick frei in einen hell erleuchteten und sichtbar komplett renovierten Flur, mit beige und weiß marmorierten Wänden im Eingangsbereich, einem durchgehenden wunderschönen Terrazzoboden, einer schmalen, nach oben führenden Treppe sowie weiter hinten liegenden Küche. Zur rechten gingen zwei Türen ab, in einen Empfangsraum und einen Meeting- oder Arbeitsraum mit integrierter, stylisher Telefonbox, so wie sie in vielen modernen Büros heute steht. Alles sehr hochwertig und edel umgesetzt und sehr geschmackvoll designed. Sandra Jalana Oehmen begrüßte mich und kurz darauf kam auch Kai Viehof hinzu und schon waren wir in ein angeregtes Gespräch über das „ALTE HAUS.“, das Projekt und viele andere Themen rund um Mönchengladbach vertieft.

Schnell war mir klar, dass es sich hier keineswegs um einen dieser normalen Co-Working-Spaces handelte. Da steckte einiges mehr dahinter und zugegeben, je mehr die Beiden mir erzählten, desto skeptischer wurde ich. Nicht etwa, weil ich das, was ich da hörte, die Idee hinter dem Projekt „ALTES HAUS.“, die Ziele, die Viehof und die anderen Beteiligten damit verfolgten, mit Skepsis betrachtete. Nein! Skepsis, weil sie diese Idee in Mönchengladbach umsetzen wollen. Berlin, Hamburg, Frankfurt ja, aber in der kleinen Großstadt am linken Niederrhein?

Aber kommen wir zu der Idee, die dahintersteckt. Nachdem wir den Hausrundgang beendet hatten und ich das Herz der Gemeinschaft, die stylische Küche mit angrenzendem Garten, in dem bald wohl auch Hochbeete zum gemeinsamen Gärtnern stehen sollen, und das voll eingerichtete Podcast- und Videostudio mit Schnittplatz staunend bewundern konnte, setzten wir uns in den großen Besprechungsraum und gingen mehr ins Detail.

Wir haben hier jetzt nicht den Platz, um Ihnen ein komplett neues Wirtschaftssystem vorzustellen. Eine neue Art, wie Unternehmer und Unternehmen denken und handeln. Nicht profitorientiert, sondern sozial und im Sinne der Gesellschaft. „Social Entrepreneurship“ ist wohl einer der Begriffe, die dieses neue Unternehmertum definieren. Auch „taxmenow“, eine Initiative, die sich für mehr Steuergerechtigkeit einsetzt, gehört zum Netzwerk der Projektschaffenden. Das bei uns durch die Medien wohl bekannteste Mitglied dieser Bewegung ist die österreichische Millionenerbin Marlene Engelhorn, die streitbar und öffentlichkeitswirksam für die stärkere und damit nach Meinung der Initiative sozial gerechtere Besteuerung der Reichen eintritt. Für manche mag das Linksideologisch klingen, vielleicht sogar extremsozialistisch, aber im Kern ist es die Erkenntnis, dass unser System so, wie es seit Jahrhunderten aufgestellt ist, auf vielen Ebenen einfach nicht mehr funktioniert und es dringender Veränderungen bedarf.

Und wie passt „ALTES HAUS.“ nun da rein?

Unter Social Entrepreneurship bzw. Sozialunternehmertum oder sozialem Unternehmertum versteht man eine unternehmerische Tätigkeit, die sich innovativ, pragmatisch und langfristig für die Lösung sozialer Probleme oder allgemeiner: für einen wesentlichen, positiven Wandel einer Gesellschaft (für sog. metaökonomische Oberziele) einsetzen will. Ein Unternehmer, der eine solche Tätigkeit leitet, wird Social Entrepreneur genannt. Gebiete, auf denen sich ein Social Entrepreneur engagiert, sind zum Beispiel Bildung, Umweltschutz, Arbeitsplatzschaffung für Menschen mit Behinderungen, Armutsbekämpfung oder Menschenrechte. Der Profitgedanke steht für Social Entrepreneurs im Hintergrund, weshalb viele dieser Unternehmer in Non-Profit-Organisationen organisiert sind, andere Rechtsformen leiten oder unterstützen.

 

Quelle: Wikipedia

Nun, die hiesigen Initiatoren um Kai Viehof sind ebenfalls „Social Entrepreneurs“ und haben das Projekt „ALTES HAUS.“ zu dem Zweck gegründet, Unternehmen und Unternehmern, die ebenfalls die sozialen und gemeinschaftsorientierten Aspekte vor den Profit stellen, eine Art Mönchengladbacher Heimstatt zu bieten. Es soll Treffpunkt, Kommunikationsplattform, Innovations-Hub und natürlich Bürostandort im Sinne des Social Entrepreneurships werden. So ist das Projekt selbst ebenfalls nicht auf Gewinnmaximierung aus, sondern es soll eine sozial-transformatorische Rendite erwirtschaften, bei der ein positiver Effekt für die Gesellschaft im Fokus steht, wie Kai Viehoff erklärt.

Einfach, wie bei anderen Co-Working-Spaces, über eine Online-Buchungsplattform einen Raum oder einen Schreibtisch zu buchen, ist nicht geplant. Selbst die Buchung eines spezifischen Platzes im „Alten Haus“ soll es nicht geben. Jedes Mitglied kann den verfügbaren Raum im „Alten Haus“ nutzen, ebenso wie alle Einrichtungen und Angebote. Dabei setzen die Initiatoren darauf, dass alle Mitglieder sich ihres Bedarfs bewusst sind und im Sinne der Gemeinschaft dessen Nutzung nach den Bedürfnissen aller flexibel gestalten und durch Gespräche vielleicht manchmal erforderliche Lösungen finden. Die Gemeinschaft und vor allem die Kommunikation stehen im „ALTES HAUS.“ absolut im Vordergrund.

Um Mitglied zu werden gibt es eine Art Bewerbungsverfahren, das aktuell noch in der Umsetzung ist. Kernpunkt ist es wohl, sicherzustellen, dass die Mitglieder zur Idee und zur Gemeinschaft passen. Auch wenn es vielleicht so klingt, aber es hat nichts mit einem Sektengedanken oder einer 70er Jahre Kommune zu tun. Umdenken und an eine neue Sicht auf die Dinge gewöhnen muss man sich als unbeteiligter Externer wohl immer erst einmal, wenn man sich näher mit dem Projekt „ALTES HAUS.“ beschäftigt.

Hatte ich schon erwähnt, dass das „Alte Haus“ im inneren Kern hochmodern und wunderschön ist? Modernste Technik, qualitativ hochwertigste Ausstattung und Möblierung und eine edle Raumgestaltung sorgen für ein Arbeitsumfeld, von dem viele Unternehmen nur träumen können. Aber das macht das Konzept “ALTES HAUS.“ für mich irgendwie noch sympathischer, denn wer sagt, dass man sich für eine neue Welt nicht auch in für stylischen, bequemen und modernen Büros einsetzen kann? Das nimmt dem Ganzen die Vermutung der linksideologischen Gesellschaftsrevolution. Passt für mich.

Man kann Kai Viehoff und den anderen Initiatoren und Mitgliedern des „Projektes “ALTES HAUS.“ nur zu ihrer Vision gratulieren und ihnen für die Zukunft nur das Beste und natürlich viel Erfolg wünschen.


ALTES HAUS.
Büro. Gemeinschaft. Netzwerk
Regentenstraße 156
41061 Mönchengladbach
Instagram.com/alteshausmg